Peter Thümmel: Die Kehrseite der allumfassenden Digitalisierung

Wir leben in einer Gegenwartskultur, die einer drastischen Zeitenwende unterworfen ist. Wir alle verspüren, dass mit der Digitalisierung eine teilweise auch schleichende Veränderung unseres ganz persönlichen Lebens einhergeht. Die Computertechnik ermöglicht einerseits eine immense Erweiterung unseres Bewusstseinstandes, auf der anderen Seite vielfältige Eingriffe und Eingrenzungen in unsere Privatheit und unser alltägliches Leben. Dabei muss jeder Einzelne für sich abwägen, inwieweit er bereit ist, seine höchstpersönlichen Daten weltweit agierenden IT-Konzernen freiwillig zur Verfügung zu stellen. Die dort gemachten Angebote sind - entgegen landläufiger Auffassung - keineswegs umsonst, denn: „Wir zahlen mit unseren Daten!“ Der Rattenfänger von Hameln käme heute mit einem Smartphone daher.

 

Der damalige US-Präsident Barack Obama und der frühere Direktor der NSA Michael Hayden erklärten es frank und frei – von Herrn Trump ist nichts gegenläufiges bekannt: "Wer die Daten hat, hat die Macht." Darum geht es im wirtschaftlichen und im politischen Leben. Gegen derartige Missstände muss sich der mündige Bürger zur Wehr setzen, rechtzeitig und lautstark. Leuchtendes Vorbild für Zivilcourage ist Edward Snowden, der uns allen die Augen geöffnet haben sollte. In einer Veranstaltung in der Universität zu Köln im Juni 2017 ermunterte er zu kritischem Widerstand mit den Worten „I am not a hero. I am a citizen. And so are you!“

 

Wir leben leider in Zeiten terroristischer Angriffe. Ich will mich an dieser Stelle nicht darüber auslassen, woher dies resultiert, dies wäre eine eigene Veranstaltung wert. Richtig ist sicherlich auch, dass der Staat seine Bürger im erforderlichen, angemessenen Rahmen vor derartigen aktuellen Gefahren schützen, aber auch das Schüren übermäßiger Angst vermeiden muss. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld zwischen öffentlicher Sicherheit und der Wahrung der unverletzlichen Grundrechte des Menschen auf Schutz seiner Würde, sowie Kommunikationsfreiheit und Privatheit. Diese Grundrechte werden allerdings durch Maßnahmen wie das Vorratsdatenspeicherungsgesetz und die geplante Gesichtserkennung, mit der wir alle anlasslos überwacht werden sollen, in inakzeptabler Weise verletzt.

 

Vielleicht haben Sie auch schon einmal bei einem Telefonat oder einer E-Mail sich die Frage gestellt, ob Sie die eine oder andere kritische Formulierung nutzen sollten. Dadurch wird eine „Schere im Kopf“ erzeugt, die unser Recht auf freie Meinungsäußerung unverhältnismäßig eingrenzt und zu einer merklichen Bewusstseins- und Verhaltensänderung beiträgt.

 

Dr. Peter Thümmel

Vorsitzender der Initiative gegen Totalüberwachung e.V.

 

(Auszug aus der Begrüßungsansprache im Rahmen der Veranstaltung „Kulturwandel in der digitalen Gesellschaft“ am 13.09.17)