Peter Thümmel: Großer Lauschangriff und mehr

Mit welche Chuzpe die unsägliche große Koalition, die eine durchsetzungsfähige Opposition stark einschränkt und wenig mit einem freiheitlichen Demokratieverständnis zu tun hat, kurz vor der anstehenden Bundestagswahl tief in unser aller Grundrecht auf Privatheit und Freizügigkeit der Kommunikation einschränkende "Sicherheitsgesetze" verabschiedet, muss betroffen machen. Mit der Einführung der Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) hat die große Koaltion tief in unsere verfassungsgemäß garantierten Grundrechte eingegriffen. Dabei soll ein "Staatstrojaner" nunmehr auch für die klassiche Strafverfolgung quasi der Alltagskriminalität eingesetzt werden. Es wird den Behörden gestattet, bei Verdacht auf etwa 40 Straftaten Schadsoftware auf Endgeräte aufzuspielen und damit auch verschlüsselte Kommunikation auszulesen. Außerordentlich besorgniserregend ist, dass die große Koalition diese einschneidenden Befugnisse quasi nebenbei in einem Änderungsantrag in die Strafprozessordnung eingeführt hat. Weder der Bundesrat, die verfassungsrechtlich vorgesehenen drei Lesungen der "Änderungen", noch gar die Bundesdatenschutzbeauftragte wurden beteiligt.

Damit überbieten sich die Regierungsparteien in inakzeptabler Weise, einem diffusen Sicherheitswunsch der Bürger nachzukommen, der zum Großteil durch gezielte Panikmache beeinflusst ist. Was von dieser Regierung in Erinnerung bleiben wird, sind unausgegorene, zum großen Teil verfassungswidrige Sicherheitsgesetze. Ein in großen Bereichen noch zunehmender Überwachungsstaat hat die rote Linie zwischen berechtigtem Schutzbedürfnis einerseits und den verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten der Bürger andererseits deutlich überschritten. So macht es zumindest Hoffnung, dass neben dem Europäischen Gerichtshof auch das Oberverwaltungsgericht NRW das Vorratsdatenspeicherungsgesetz, welches die anlasslose Speicherung unserer aller Kommunikationsdaten erlaubt, als rechtswidrig brandmarkt. Es steht zu hoffen, dass auch das Bundesverfassungsgericht in gleicher Weise mit deutlichen Anmerkungen nicht nur die augenblicklich agierende, bald in Vergessenheit geratene  Bundesregierung maßregelt, sondern als erneute Richtschnur für ein zukünftiges Demokratieverständnis und Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Bürger dient.

 

Dr. Peter Thümmel

Vorsitzender der Initiative gegen Totalüberwachung e.V.